TELE-Romanes e.V.

Abschlussbericht zum Projekt.

von Manfred Brandt

 

 

Die Ausgangssituation.

 Die Idee und die Zielvorstellungen von TELE-Romanes wurden mit der Vereinsgründung 2008 als umfassendes Konzept dargelegt.

 

Einige zentrale Aspekte sind in diesem Zusammenhang:

 

* 12 Millionen Roma aus 27 europäischen Ländern haben keine gemeinsame Kommunikationsplattform.

* Kinder und Jugendliche brauchen eine Chance zur Bildung und Integration.

* Medien sind das Fenster, durch das wir die Welt betrachten und das Fernsehen entspricht dem 'Lagerfeuer' der modernen Gesellschaft.

* Schaffung einer Kommunikationsplattform mit Medien von Roma für Roma.

 

Das durchgeführte Benchmarking mit geförderten Roma-Projekten in Deutschland (z.B. RAA) und anderen EU-Projekten, der Eigeninitiative von Prominenten wie Herrn Soros und Herrn Tiriac in Rumänien, sowie der Roma-Sender BTR-TV in Skopje, haben uns die Schwierigkeiten aufgezeigt, aber auch einen Ansporn gegeben, als Fachleute mit Roma vor Ort in Köln durch eine Berufsausbildung im Medienbereich eine Kommunikationsplattform zu schaffen, um so Integration und Völkerverständigung zu fördern.

 

Erfahrene Pädagogen und ausgewiesene Filmfachleute haben zusammen mit ausgebildeten Roma das Konzept im Detail ausgearbeitet. Dass der Verein den Beruf des Videojournalisten als ersten Prototypen einer Ausbildung und möglicher Erwerbstätigkeit anbietet, gründet auf einer Umfrage des Vereins mit über 130 Unterschriften, die hohes Interesse an Film und TV bekundeten. Der Beruf des Videojournalisten kann frei ausgeübt werden. Dienstleistungen, wie professionelle Videos von Hochzeiten, Festen, Darbietungen können sowohl innerhalb der eigenen Community als auch in der deutschen Gesellschaft angeboten werden. Die freie Zeiteinteilung ermöglicht eine flexible Wahrnehmung von Familienverpflichtungen. Da Arbeitgeber Roma und Sinti mit ungeklärter Aufenthalts-und Arbeitserlaubnis nur in seltenen Fällen einstellen, ist eine kleinselbständige Erwerbstätigkeit realistischer. Es kommt hinzu, dass in dem Beruf technische Fertigkeiten vermittelt werden, die einem traditionellen Handwerk nahe kommen. Die erworbene Medienkompetenz erlaubt es, sich in der modernen virtuell geprägten Gesellschaft zu bewegen. Davon profitiert auch die Community. Sei es, dass Nachrichten abgerufen werden können, sich die Community untereinander vernetzen kann, Räume für Hochzeiten, usw. über das Internet gefunden und gebucht werden, oder Fotos und Filme eingestellt werden können.

 

Durch die Förderung der RheinEnergieStiftung (ab September 2010) konnten im Projekt „TELE-Romanes-Ausbildung“ sozial benachteiligte Roma-Jugendliche unterstützt und unterrichtet werden, um eine qualifizierte Ausbildung zu beginnen und abzuschließen.

 

Beginnend mit einem Berufsvorbereitungslehrgang im Bürgerzentrum BÜZE in Köln-Ehrenfeld, fand anschließend eine Fachausbildung zum Videojournalisten im Medienzentrum des Regionalsenders 'Berg TV' statt. Der Beruf des Videojournalisten wurde auch deshalb für Roma ausgewählt, weil Zugangsvoraussetzungen für den Beruf nicht zwingend vorgeschrieben sind. Entscheidend sind Eignung und Fähigkeiten, vergleichbar mit anderen künstlerischen Berufen im Bereich Musik, Theater und Tanz.

 

An den Berufsausbildungslehrgängen haben insgesamt 20 Romajugendliche teilgenommen. Das bedeutet, die Zustimmung und direkte Anteilnahme von 20 Romafamilien, also hochgerechnet die Information von weit über 100 Roma aus der Community. 

Von den 20 auszubildenden Teilnehmern schlugen zwei den beruflichen Weg zum Videojournalisten ein, während die anderen entsprechend ihrer Fähigkeiten und Talente eine allgemeine Berufsvorbereitung absolvierten.  Zwei Absolventen des letzten Berufsvorbereitungslehrgangs wurden erfolgreich auf weiterführende Ausbildungen vorbereitet und dorthin vermittelt. So durchläuft ein Absolvent nun die IHK-Ausbildung zum 'Mediengestalter Bild und Ton', dem anderen gelang die Aufnahme an die Filmfachschule Köln mit dem Ausbildungsziel des Medienfachwirtes.

 

Der Verein begleitete insbesondere die Teilnehmer, die die Berufsausbildung zum Videojournalisten fortgesetzt haben, sehr intensiv in allen familiären, sozialen und fachlichen Angelegenheiten und übernimmt auch weiterhin Lotsenfunktionen.

 

Die beiden Auszubildenden Selim D. und Kristina S. haben nach dem Berufsvorbereitungslehrgang und dem anschließenden Praktikum beim Regionalsender 'Berg TV' die Fachausbildung begonnen. Sie haben nach Aussage des Medientrainers  die Fähigkeiten und das Potenzial, um die Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen. Sie zeigten in der Vergangenheit entsprechend großes Engagement und erstaunliche Eigeninitiative.

 

Die Auszubildenden lernen im konkreten Tun. Gemäß des Ausbildungsplans des Medienkompetenz-Zentrums, das die Jugendlichen zur Prüfungsabnahme beim Deutschen Medienbund e.V. vorbereitet, lernen sie die Erstellung von Filmbeiträgen, Umgangsformen mit Akteuren, Arbeiten im Produktions-Team, Interview- und Dokumentationskenntnisse sowie technische Fertigkeiten, wie Bildschnitt, Tonaufnahmen, Sicherung der Bildqualität, Auswahl geeigneter Techniken der Nachbearbeitung, Prüfung und Aufbereitung des Bild-und Tonmaterials sowie die geeignete Präsentation einschließlich Internet-und Zugriffsrechte kennen.

 

Selim und Kristina haben nach ihrem engagierten Start, einer hohen Eigeninitiative und bester Prognose, ihre Berufsausbildung kurz vor der anstehenden Prüfung  plötzlich und ohne Vorwarnung oder Erklärung im März 2012 abgebrochen. Über diese Reaktion waren alle Vereinsmitglieder und involvierte Ausbilder völlig überrascht und bestürzt.

 

Aus dem bisherigen Projektverlauf kennt der Verein TELE-Romanes die besonders schwierigen Voraussetzungen von Roma- und Sinti-Jugendlichen. Sie wurden berücksichtigt und zum Anlass genommen, Strategien und Instrumente der beruflichen Orientierung für diese schwer vermittelbare Zielgruppe zu überprüfen und innovativ weiterzuentwickeln.

 

Die Lernfortschritte des Projektträgers und die Erfahrungen, unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Strategie die Berufsausbildung von Roma realistisch durchgeführt werden könnte, werden im Abschnitt 'Resümee' näher beschrieben. Wir haben versucht, weiterführende adäquate Lösungen zu finden und die entstandenen Schwierigkeiten nicht allein der Zielgruppe der Jugendlichen anzulasten.

 

 Es wurde der Versuch unternommen, ein neues Format für die Arbeit mit Roma zu schaffen. Der Grundgedanke war es, die Rekrutierung von Auszubildenden nicht selbst zu betreiben, sondern den alteingesessenen Romatreffpunkt und ROMA-Verein EU-ROM in Köln Mühlheim einzuschalten. Die Planungsgespräche mit dem Vorsitzenden Maco Sejdic waren engagiert und verheißungsvoll. Lange Detail-Verhandlungen und erste Versuche haben gezeigt, dass die Bereitstellung von technischen Geräten, einer Ausbildungs-Fachkraft für Film und die Nutzung der Vereinsräumlichkeiten nicht ausreicht, um eine erfolgversprechende Ausbildung zu betreiben. Die Arbeit im Projekt wurde daher im Dezember 2012 eingestellt. 

 

In der Zwischenzeit ist die Integration von Sinti und Roma ein aktuelles Diskussions-Thema in der Öffentlichkeit geworden, über das in der Presse ausführlich recherchiert und berichtet wird. Zusammen mit unseren siebenjährigen Vereinserfahrungen in Köln, ergibt sich ein klares Bild zum Thema "Berufsausbildung und Integration" von Roma.

 

 

Entscheidendes Kriterium ist die Familiensozialisation, die als ungeschriebenes Gesetz seit Jahrhunderten strikt eingehalten wird.

Jedes Familienmitglied hat sich entsprechend seinen individuellen Fähigkeiten für das  Wohl der Familie einzusetzen. Die Familie entscheidet z.B. darüber, ob gesundheitliche Operationen durchgeführt werden oder wieweit eine berufliche Qualifikation gehen soll.

Ein Berufsabschluss und die Aussicht auf eine selbstbestimmte Lebensführung fördert nicht unbedingt den Familienzusammenhalt, sondern die Eigenständigkeit gefährdet eher die Familiensozialisation.

 

Wir haben in Köln die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche neugierig sind auf Arbeit, die Spaß macht. Sie lernen, solange sie einen Nutzen für sich und ihre Familien darin sehen. Eine Prüfung oder gar ein Abschluss finden kein Interesse. Zum Beispiel hat die Stadt Köln ein Dutzend Mediatoren für Schulen ausgebildet. Aber von den Teilnehmern hat niemand die Tätigkeit an einer Schule weitergeführt.

 

Die Vereinsmitglieder von TELE-Romanes e.V. sind außerhalb des Projektes gern bereit ihre praktischen Erfahrungen einzubringen, um Kriterien zu entwickeln, unter welchen realistischen Bedingungen eine Qualifizierung von Roma erreicht werden kann.

 

 

Fähigkeiten erkennen, Neues lernen und weiterkommen.

Dieser Strategie folgend sollen jugendliche Roma in die Lage versetzt werden, mittelfristig ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Das Projekt „TELE-Romanes-Ausbildung“ beginnt mit einem Berufsvorbereitungslehrgang zum Videojournalisten, der insgesamt von 20 Jugendlichen besucht  wurde. Sie haben dabei eine interessante Erwerbsmöglichkeit (Videojournalist) kennengelernt, ihre Fähigkeiten und Neigungen erprobt und geprüft, ob dies eine geeignete Perspektive für sie bietet. Mit dem attraktiven Beruf des Videojournalisten sollten auch Jugendliche gewonnen werden, die sich über diesen Zugang mit Berufsausbildung auseinandersetzen und so in für sie geeignetere Berufsausbildungen weitervermittelt werden.

Weiterhin wurden jedem Teilnehmer Grundlagen der Internetnutzung auf Produzenten- und Nutzerseite vermittelt, um aktiv am Mediengeschehen in Deutschland teilnehmen zu können. Der Umgang mit dem Internet und neuen Medien ist grundlegend, um Chancen der Teilhabe und Demokratisierung von Roma-und Sinti-Jugendlichen zu ermöglichen.

 

 

Im Zuge des praktischen Erwerbs von Medienkompetenz wurden Filmbeiträge durch Jugendliche selbst produziert und ins Internet gestellt.

Die Filmbeiträge, die sowohl bei den Internetauftritten von TELE Romanes e.V. als auch bei YouTube und Berg.TV eingestellt sind, dokumentieren den Lernfortschritt. Während die ersten Beiträge noch amateurähnlichen Charakter hatten, wurden die Filmbeiträge zunehmend professioneller. Der Verein dokumentierte diese Lernerfolge öffentlich, um den Jugendlichen Anreize zu geben und den Förderern den Lernprozess transparent offen zulegen.

 

 

Der Berufsvorbereitungslehrgang diente im Wesentlichen dazu, sich in Deutschland zu orientieren.

Deshalb wurden Grundlagen von Ausbildungsverläufen, Erwerbstätigkeit (Freiberuflichkeit, Angestelltenverhältnis), Sozialleistungen, Rechte und Pflichten von Erwerbstätigen vermittelt. Die Anleitung, regelmäßig zu vereinbarten Präsenzterminen zu erscheinen, sich bei Fehlzeiten abzumelden, Vereinbarungen verbindlich einzuhalten und das Miteinander im Unterricht zu üben, stellen wichtige sekundäre Lerninhalte dar, die für diese Jugendlichen nicht selbstverständlich sind. Jugendliche wurden bei Ämtergängen begleitet und lernten, wie man sich innerhalb des deutschen Sozial- und Versogungssystems bewegt. Sie werden über praktisches Erleben zu Wissensträgern in ihrer Community und können auch anderen Familienangehörigen helfen, 'in Deutschland anzukommen'.

 

Jugendliche, die die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für den Beruf des Videojournalisten nicht in ausreichender Weise erfüllten, beendeten den Berufsvorbereitungslehrgang vorzeitig. Sie wurden aber weiter begleitet, um die für sie passende berufliche Perspektive zu finden.

 

 

Die Community auf den Weg mitnehmen.

Roma- und Sinti-Jugendliche sind fest in ihrer Community verankert. Für Außenstehende vermitteln sich diese Beziehungen und Bindungen nur schwer. Der Verein, der der beruflichen Orientierung von Jugendlichen verpflichtet ist, bewertet dies nicht, sondern bezieht diese starke Verbundenheit in seine Arbeit ein. Da sich die Regeln, Traditionen und Gruppenbildung der Community für Außenstehende nicht erschließen, setzt der Verein auf die Mittlerfunktion von Mitgliedern der Gruppe.

 

Die schulische und berufliche Biographie von Roma- und Sinti-Jugendlichen ist durch wiederholte Schulabbrüche, Unterbrechungen oder Fehlzeiten in der Ausbildung gekennzeichnet. Dies wird in den meisten Fällen durch Übernahme familiärer Aufgaben (Krankenpflege, Beistand bei Todesfällen, Unterstützung in Krisensituationen) begründet. Junge Frauen verfügen nur über eingeschränkte Autonomie, da sie für ihre Ausbildungsvorhaben das Einverständnis männlicher Familienmitglieder einholen müssen. Im Berufsvorbereitungskurs waren auch viele junge Väter vertreten, die bereits mit durchschnittlich 20 Jahren mehrere Kinder zu versorgen hatten.

 

Es kommt hinzu, dass nur ca. die Hälfte der Teilnehmer und Interessierten am Berufsvorbereitungslehrgang über uneingeschränkt gesicherte Aufenthaltsrechte und Arbeitserlaubnis verfügt. Selbst Jugendliche, die zumindest eingeschränkte Bewilligungen erwirken können, erleben in ihrem engen familiären Umfeld Abschiebung oder Bedrohung des Aufenthaltsstatus. Dies ist in hohem Maße belastend und lässt kaum eine freie Entfaltung und Bildungsplanung zu.

 

Die berufliche Orientierung verläuft zwar entlang des individuellen Kompetenzprofils, muss sich aber zugleich auf das Machbare beschränken. Dies erfordert eine Berufsorientierung in sehr kleinen Schritten und setzt eine hohe Frustrationstoleranz der Jugendlichen, der Familien und des Vereins voraus.

 

Der Verein hatte zunächst unterschätzt, wie hoch sich der Kommunikationsaufwand mit der Community darstellt und wie schwierig es ist, zunächst Gesprächsbereitschaft zu erzeugen. Zugleich hat sich gezeigt, wie unverzichtbar dies als Bestandteil der Bildungsarbeit ist. Aus diesem Grund ist der Verein dankbar, dass sich prominente Mitglieder, wie Django Reinhardt und der Vorsitzende des Landesverbandes NRW der Roma und Sinti, Romano Baquè, sowie die Sinti-Community zur Verfügung gestellt haben, um für die Anliegen des Vereins zu werben.

 

Am 05. Juli 2011 nahm der innerhalb und außerhalb der Community populäre Musiker Django Reinhardt an einer Informationsveranstaltung des Vereins zur Teilnahmeakquise für den Berufsvorbereitungslehrgang zum Videojournalisten teil. Er motivierte die Jugendlichen und Angehörigen, die Chance zu ergreifen und berichtete dabei authentisch aus seiner eigenen Berufsbiographie. Solche Termine mit prominenten Vertretern zeigen oft erst im Nachhinein Erfolg, da die Botschaften schrittweise in die Community diffundieren.

 

 

Erreichtes im Überblick. 

* Zu den Informationstreffen kamen Jugendliche und deren Familienangehörige. Prominente Vertreter der Community, wie Django Reinhardt und Romano Baqué wurden zur Unterstützung gewonnen.

 

* Es wurden vier Veranstaltungen zur Teilnehmer-Akquise durchgeführt, darunter die Kooperation mit Roma-Heimen.

 

* Bei der Vorstellung des Berufsvorbereitungslehrgangs übernehmen Jugendliche, die sich im Lehrgang befinden, eine aktive Rolle und werben für die Maßnahme.

 

* Der Verein hat ein Netzwerk aufgebaut. Netzwerkpartner sind Berg TV mit seiner Ausbildungsstätte. Das Bürgerzentrum BÜZE Köln-Ehrenfeld bietet Ausbildungsräume. Der Deutsche Medienbund e.V. bietet ein Ausbildungszentrum und finanziert die Ausbildung anteilig mit. Engagierte Einzelpersonen entwickeln die Webseite des Vereins.

 

* Der Verein Amaro Kher kooperiert bei der Durchführung von Filmprojekten.

 

* Das Berufsförderungswerk der Bauindustrie in Kerpen bot sich als Ausbildungsstätte an.

 

Auf den Aufbau und die Pflege von Netzwerken haben wir großen Wert gelegt, weil sie wichtige Einflussgrößen für das Gelingen des Projektes sind.

 

 

Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit

Um neben Fachpersonen auch breitere Bevölkerungsgruppen einzubeziehen, suchte der Verein regelmäßig und kontinuierlich die Öffentlichkeit und erhöhte zugleich die Akzeptanz für die Zielgruppe Roma und Sinti. Das Engagement des lokalen Senders Berg-TV hat beispielsweise dazu beigetragen, dass Menschen in dieser Region sich mit den besonderen Problemlagen von Roma und Sinti auseinandersetzen und Vorurteile abbauen. Die Filmbeiträge der Jugendlichen spielten dabei eine wichtige Rolle. Sie geben Einblicke in das Leben der Roma und Sinti in Deutschland. Diese Mini-Dokumentationen helfen, Vorurteile abzubauen. Einschlägige Beiträge und Interviews zeigen anschaulich, dass diese Menschen längst in Deutschland angekommen sind. Die Professionalität des Filmmaterials nahm monatsweise zu.

 

 

"Wir haben es nicht für möglich gehalten,

was ihr geleistet habt."

Wichtig ist die Würdigung besonderer Prioritäten, insbesondere von familiären Umständen wie Krankheit in der Familie, die Pflege erfordert und das Zeitfenster für die Berufsausbildung extrem einschränkt. Auch der eigene Wunsch, zu heiraten oder das eigene Kind zu versorgen, können unüberwindliche Hindernisse sein, die das Engagement erlahmen lassen und bis zu einem Abbruch der Berufsausbildung führen. Die Eltern sind das zentrale Momentum, dem sich die Jugendlichen unterordnen müssen, denn ohne Zustimmung ihrer Familien können Jugendliche nicht 'überleben'. Daher ist es unbedingt notwendig, den Lebensunterhalt für die Auszubildenden sicher zu stellen. Sie brauchen diese Unabhängigkeit für sich und auch gegenüber ihren Familien.

 

Das Beispiel des dreitägigen Tanz-Workshops im Oktober 2008 in Köln hat uns gezeigt, dass es Fachleuten, wie der internationalen Schule für Tanz, Show und Gesang aus Kalifornien, den „Young Americans“ möglich ist, mit 350 Schülern (Roma und andere Migranten) ein Musical einzustudieren und öffentlich vorzuführen. Die Schulleitungen haben es so ausgedrückt: "Wir haben es nicht für möglich gehalten, was ihr geleistet habt; wir haben Euch und Eure Fähigkeiten total unterschätzt." Die Arbeit hat den Schülern neben Spaß und Freude auch Werte vermittelt wie Vertrauen, Respekt und Selbstachtung. Der überwältigende Applaus von tausend Zuschauern war die Anerkennung der Fähigkeiten und des Leistungswillens dieser jungen Menschen.

 

Vor diesem Hintergrund ist auch das soziale Engagement von TELE-Romanes zu bewerten, jungen Roma, die Fähigkeiten und Interesse haben, eine Möglichkeit zur Berufsausbildung zu bieten. Der Ansatz und die Zielsetzung von TELE-Romanes-Ausbildung ist auch nach den bisherigen Erfahrungen richtig und notwendig. Aber für einen breiten Ausbildungserfolg müssen weitere Rahmenbedingungen wie kurze Anfahrtswege für die Teilnehmer, eine flexible Unterrichtsgestaltung, und die direkte Beteiligung der Roma-Communiy verbessert werden.

 

Bei den ursprünglich hoffnungsvollen und hoch motivierten Auszubildenden, insbesondere bei Kristina S. und Selim D. haben sich im Laufe der Ausbildung die nachgenannten Probleme und ungünstigen Rahmenbedingungen negativ verstärkt:

 

* Ungesicherter Aufenthaltsstatus, der Verpflichtungen gegenüber Bildungsträgern und Arbeitgebern erheblich erschwert,

 

* wiederholte Aufnahme von Bildungs- und Erwerbsversuchen, die scheiterten und zur Aussichtslosigkeit und Resignation führen,

 

* erhebliche familiäre Verpflichtungen im jungen Lebensalter, die die Flexibilität einschränken,

 

* schulische Bildungsdefizite, die sich auf Lerninhalte sowie formale Abschlüsse beziehen und sich nur schwer ausgleichen lassen,

 

* keine Erfahrungen mit Prüfungen und daraus resultierende große Prüfungsängste,

 

* hohes Misstrauen in Ausbildungsangebote, Praktika usw. da oft erlebt wurde, dass Zusagen zurückgezogen oder nach unentgeltlichen Probezeiten lediglich Schwarzarbeit unter unzumutbaren Bedingungen angeboten wurde.

 

 

Lernfortschritte des Projektträgers.

Die Bereitschaft, aus Erfahrungen zu lernen, begründet die Lernfortschritte des Projektträgers. Die wesentlichen Einflussfaktoren und ihre Bewertung werden hier wie folgt zusammengefasst:

 

- Die Zielgruppe jugendlicher Siniti und Roma verfügt über besonders ungünstige Voraussetzungen, eine übliche Berufsausbildung zu absolvieren. Dies fordert Träger von Berufsorientierungsmaßnahmen dazu heraus, die bisherigen Strategien kritisch zu hinterfragen und anzupassen.

 

- Es ist gelungen, jugendliche Sinti und Roma dazu zu motivieren, mit Medien zu arbeiten und zu lernen. Dabei wird organisiertes und strukturiertes Lernen von ihnen

angenommen, solange es für sie interessant und spannend genug ist.

Problemlösendes Denken ist ihnen weitgehend unbekannt und entspricht auch nicht der geschichtlichen Lebensweise der Roma. Die fahrenden Roma organisieren und feiern Feste, um anschließend alles hinter sich zu lassen und an einem anderen Ort neu anzufangen. Die organisierte Hinführung auf eine Prüfung weckt bei den Teilnehmern zunehmend Ängste bis hin zu einem Fluchtverhalten.

 

-Die Lernfortschritte des Projektträgers nehmen auch Bezug auf die Situation der Roma in der erweiterten Europäischen Union und die Tatsache, dass es trotz bereit-gestellter EU-Gelder keine nachhaltig erfolgreiche Roma-Projekte gibt. (EU-Bericht 2004 ISBN 92-894-8185-4).

 

-Die Kenntnisse übereinander und die Denkweisen untereinander sind unzureichend und finden zu wenig Berücksichtigung im Zusammenleben mit Sinti und Roma. Alle Bemühungen um eine Integration nach den Wertvorstellungen und in den Strukturen der Mehrheitsbevölkerung können nicht zielführend sein. Es muss ein „Raum“ für Roma geschaffen werden, in dem sie nach Ihren Vorstellungen lernen und sich nach Ihren Vorstellungen entfalten können.

 

 

Neue Formate der Arbeit zu schaffen, war unser Resümee aus dem bisherigen Projektverlauf.

Da es nicht möglich ist, Roma-Jugendlichen den Lebensunterhalt und die Berufsausbildung gleichzeitig zu finanzieren, wollten wir die Restzeit des genehmigten Projektes in veränderter Form durchführen. Dazu wurde der Förderzeitraum bis zum 01.07.2013 verlängert. Es sollten neue Lernformen und Zugangsmöglichkeiten erprobt werden, die nicht mehr durch eine Fremdorganisation bestimmt sind, sondern die Attraktivität von Film und Video nutzen, um neue 'romaspezifische Lernformen' zu entwickeln und ggf. anzuwenden.

 

Entscheidend ist das Eigeninteresse der Roma und ihre Selbstbestimmung: Kleine angemessene Lernschritte, die aus dem Innenverhältnis der Teilnehmer entstehen und der „Romadenke“ entsprechen. Wir verwirklichen damit unsere Ausgangszielsetzung "TV von Roma für Roma", genutzt für die Bildung von Roma und der Mehrheitsbevölkerung.

 

Unser neues Konzept orientiert sich an dem Geschäftsmodell der Apple-Stores. Dort stehen in den Geschäftsstellen die Computer von Apple zur freien Verfügung für interessierte Kunden. Sie dürfen diese ausprobieren, daran spielen und werden auf Wunsch von bereitstehenden Apple-Fachleuten beraten. Die Interessenten bekommen uneingeschränkt Hilfe bei Fragen und Problemstellungen. Die Kunden lernen spielend nach ihren eigenen Vorstellungen die Geräte und ihre Leistungsfähigkeit kennen. Im Ergebnis gibt es hohe Verkaufszahlen für Apple und zufriedene weitergebildete Anwender.

 

Wir wollten im Projekt TELE-Romanes-Ausbildung analog vorgehen und dem Roma-Verein EU-ROM in Mühlheim einen attraktiven großen 20 Zoll iMac zur freien Verfügung stellen. Eine Videokamera ist bereits vorhanden. Der Vorsitzende des Vereins, der Schriftsteller Marco Sejdic, besitzt in der Frankfurterstrasse 116 ein 'Sprech-Café'. Es ist eine Drehscheibe für Roma und Romainteressen. Eine Absolventin der Akademie DEUTSCHE POP, die Kameraassistentin und Cutterin gelernt hat, würde als Fachfrau beraten und interessierten Roma die Kenntnisse vermitteln, die sonst in der organisierten Berufsausbildung Video-journalist gelehrt werden. Marco Sjedic selbst war nach eigener Aussage an der Ausbildung interessiert, um  die Kommunikation unter Roma und auch zur Mehrheitsbevölkerung anzuregen und zu verbessern. Er ist gleichzeitig der beste Akquisiteur, um jugendliche Roma anzusprechen. Die Möglichkeit, an solch einem iMac-Profi-Computer zu arbeiten und Filme zu erstellen, hat bereits bei der ersten Ansprache Begeisterung ausgelöst. Wir wollten das Geschehen im Sprech-Café begleiten und dokumentieren. Alle erstellten Filme sollten wie bisher, auf die Vereinshomepage und in YouTube eingestellt, so dass neben der Transparenz auch eine Akzeptanzkontrolle möglich wird.

 

Der wissenschaftliche Hintergrund für die neue Form der Kenntnisvermittlung ist die Erkenntnis, dass fremde und lernungeübte Menschen die bisher angebotenen formalen und strukturierten Lernangebote nicht ausreichend annehmen. Diese Jugendlichen können ihre Fähigkeiten nur entfalten in einer ihnen vertrauten Umgebung. Durch die Bereitstellung eines eigenen offenen Lern-Raumes beginnen sie ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Sie erhalten dabei Anregungen und Beratung und erarbeiten sich mit Erfolg ihre eigenen Lernstrategien. An den Workshop mit den Young Americans, der von TELE-Romanes organisiert wurde, sei hier noch einmal erinnert.

 

Einige relevante Rahmenbedingungen, die einen Ausbildungserfolg begünstigen können:

 

⁃ ein offener, stressfreier Lernraum

⁃ selbst entdeckenlassendes Lernen als Methode

⁃ eine prestigeträchtige technische Ausrüstung (Apple PC)

⁃ kein Zwang zur Mitarbeit und Prüfung

⁃ hohe intrinsische Arbeitsmotivation

⁃ kurze Anfahrtswege zu einem bekannten Lernort

⁃ direkte Beteiligung der Community

⁃ Eröffnung einer individuellen externen Prüfung

 

Die RheinEnergieStiftung hat dem Antrag auf Projektverlängerung zugestimmt. Es wurden viele Planungsgespräche mit dem Vorsitzenden Marco Sejdic und der Akademie DEUTSCHE POP geführt. So konnte eine geeignete Ausbilderin gewonnen werden und es fanden Gesprächsrunden mit interessierten Roma statt.

Die verabredete Einigung über Zeit und Ablauf der Ausbildung wurde vertraglich fixiert. Wie es aus dem beiliegenden Vertragsentwurf hervorgeht, wurden alle Punkte des Vertrages mit dem Verein EU-ROM e.V. abgesprochen und mit großem Interesse von Herrn Marco Sejdic` bestätigt. Die vorgesehene Ausbilderin Sally Lala war teilweise bei den Gesprächen und Verhandlungen anwesend.

 

In der konstituierenden Sitzung beider Vereine im November 2012 ist es nicht zur Unterzeichnung des vorliegenden Vertrages gekommen. Marco Sejdic` wollte die Verantwortung für die technischen Geräte nicht übernehmen und lehnte jegliche finanzielle Beteiligung ab. Diese Bedingungen waren aber bewusst formuliert, um das nötige Eigeninteresse sicher zu stellen.

Da die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Projektverlauf nicht mehr gegeben waren, wurden die Arbeiten am Projekt "TELE-Romanes-Ausbildung" im Dezember 2012 eingestellt. Der Verein TELE-Romanes e.V. bedauert den Abbruch sehr und hat die RheinEnergieStiftung unterrichtet.

 

 

Resümee.

Der Verein TELE-Romanes e.V. hat über sieben Jahre wechselnde Erfolge mit jugendlichen Roma gehabt, die mit Leib und Seele musiziert, getanzt und gesungen haben, die ebenso im Berufsvorbereitungslehrgang und an ihrer Ausbildung zum Videojournalisten gearbeitet haben. Auch jugendliche Roma haben das Interesse, das Potenzial und die Fähigkeiten eine Berufsausbildung erfolgreich abzuschließen.

Trotzdem haben über zwanzig Jugendliche im Projekt ihre Berufsausbildung vorzeitig ohne eine Abschlussprüfung beendet.

 

Wir haben nach den Ursachen geforscht:

 

Die Kultur der Roma ist ihre Familiensozialisation. Eng beieinander bleiben, die Familie und besonders die Älteren versorgen, ist ihre vornehmste Pflicht. Im Extremfall sind alle Mittel und Maßnahmen geduldet, die ein Überleben der Familie sichern. Nach diesem Prinzip überleben und existieren Roma seit dreitausend Jahren.

 

Diskriminierung und Armut waren immer ihre Begleiter, aber die Freiheit und Flexibilität im Umgang mit Wohnraum und Beschäftigung hat für sie einen höheren Stellenwert.

 

Roma sind nicht politisch organisiert und es gibt nach FAZ-Recherche auch keine allgemein anerkannte Vertretung der Ethnie. Jeder Roma ist für sich und seine Familie verantwortlich. Familie, Clan und Community bestimmen ihre Lebensweise.

 

Jugendliche, die eine Berufsausbildung haben, könnten selbständig handeln und sich von der Großfamilie entfernen. “Sie dürfen zwar etwas Neues lernen, aber nicht unbedingt einen Abschluss machen”. Ehemalige Roma-Vereinsmitglieder haben sich so geäußert. Sie haben ihren eigenen Rückzug aus der Vereinsarbeit damit begründet, sie könnten nicht mehr im Verein bei den Gatschow mitarbeiten, weil ihre Familien gegen enge Beziehungen sind. Da sie aber die Unterstützung ihrer Familien und ihres Clans nicht verlieren wollen, sondern zum Überleben brauchen, haben sie die vorher sehr engagierte Mitarbeit im Verein gekündigt und teilweise eine Kündigungsbescheinigung gefordert.

 

Auch wenn es uns schwerfällt, haben wir die dreitausendjährige “Kultur der Roma” zu akzeptieren. Es ist eine Illusion, die Struktur durch kurzfristige Integration verändern zu können. Der EU Bericht 2004 zur Situation der Roma in der erweiterten Europäischen Union (ISBN 92-894-8185-4) belegt, dass alle bisherigen Versuche und Geldzuwendungen ohne deutlichen Erfolg waren und dies gilt bis heute.

 

 

Das Ausbildungsprojekt TELE-Romanes hat etwas im Zusammenleben zwischen Roma und Mehrheitsbevölkerung in Köln bewirkt.

Die Hauptaufgabe, Jugendliche für eine Berufswahl zu qualifizieren, Ihnen Schlüsselqualifikationen für ein Berufsleben und Medienkompetenz zu vermitteln, ist erreicht worden. Eine Minderheit hat berufliches Fachwissen als Videojournalist erworben, eigene Filmdokumentationen erstellt und die Filme zur Kommunikation eingesetzt.

 

Die Roma-Eltern wurden sensibilisiert für die Möglichkeiten und Chancen einer Berufsausbildung.

 

Das Projekt hat eine Lotsenfunktion erfüllt und eine Brücke gebaut zwischen Schule, Eltern, Jugendlichen, Ausbildern, Firmen und Kulturvereinen.

 

Die Aktivitäten der Vereinsmitglieder und Ausbilder waren sehr engagiert und umfangreich. Die Zielsetzung war hochgesteckt und die Erfolge haben die Erwartungen nicht erreicht. Zur Erfüllung der Ansprüche braucht es offensichtlich mehr Zeit und Geld.

 

Die teilnehmenden zwanzig Jugendlichen haben viel gelernt über das Berufsleben und die nötige Qualifikation für einen Beruf. Sie haben selbst Berufsqualifikationen erlangt. Sie sind selbstständiger und selbstbewusster geworden. 

 

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